FAUST von Roya Soraya

Unsere nächste Veröffentlichung wird klassisch – Roya Soraya hat sich Goethes Faust vorgeknöpft und einmal aus moderner und weiblicher Sicht neu erzählt. Ein – wie wir finden – fantastisches Unterfangen für einen Comic und das rundum gelungene Ergebnis erscheint bald im Handel. Zeit, ein paar Fragen an die Autorin zu stellen.

WIE SIEHT HEUTZUTAGE EIGENTLICH EIN TEUFEL AUS?
Ein Interview mit Roya Soraya

Liebe Roya, mein Vater sagte unlängst zu mir, mach doch mal was, was alle lesen wollen, zum Beispiel, den Faust als Comic adaptieren. Ich sagte, gibt’s schon und wenn, dann muss man da mit neuen Impulsen rangehen. Ich bin froh, dass du mir diese Arbeit abgenommen hast und offensichtlich die richtigen Impulse hattest. Erklär doch bitte, wie es dazu kam?

Goethes Faust musste ich natürlich in der Schule lesen. Da fand ich die Geschichte schon vielschichtig und gut geschrieben. Als ich ein paar Jahre später einen Comic als Bachelorarbeit machen wollte, fiel mir Faust wieder ein, mit all den Themen und Fragen, die jetzt so hochaktuell sind, wenn man genau hinschaut. Während des Studiums habe ich eine queerfeministische Perspektive entwickelt, von der aus ich auf die Welt schaue. Einiges am Faust fand ich lustig, anderes machte mich wütend. Das waren gute Punkte, an denen ich für meine eigene Adaption ansetzen konnte. Ich fragte mich, wie sich die Geschichte wohl 2020 abspielen würde. Was würde Faust beruflich machen? Wie wäre die Beziehung zu Margarete einzuordnen? Und wie sieht heutzutage eigentlich ein Teufel aus? Am Ende war ein großer und wichtiger Impuls auch immer die Lust am Spektakel und an der Parodie. Mit einem Werk, das jede*r kennt, kann man viel Interessantes anstellen.

Bei einer Neu-Interpretation von Standart-Werken ist es ein schmaler Grat zwischen respektvoller Huldigung und Dekonstruktion. In welche Richtung bist du eher ausgepegelt bei der Arbeit?

Ich habe großen Respekt vor Goethes Dichtkunst und der tieferen Sinnhaftigkeit hinter der Geschichte. Gleichzeitig macht es aber auch großen Spaß, einen Klassiker zu parodieren und den alten, weißen Mann von seinem Thron zu holen. An manchen Stellen konnte ich beim Lesen kaum fassen, was da stand, vor allem bei den Szenen, die Goethe später doch wieder rausgenommen hat. Die verrücktesten Comic-Szenen hat er selbst geschrieben! Gehuldigt haben wir dem Faust-Klassiker schon genug, aber ich hoffe, eine respektvolle Dekonstruktion geschafft zu haben.

Wir leben in einer Zeit, in der das Private politischer denn je ist. Aber wieviel von dir steckt in der Umdeutung des Dramas und dessen Personalien?

Im sogenannten “Vorspiel”, einer Art Making-of, das Goethe der eigentlichen Geschichte vorangestellt hat, sieht man mich am deutlichsten als Figur, wie ich mich durch sein Werk und mein Comic kämpfe. Viel mehr Persönliches steckt allerdings durch die subjektive Haltung, mit der ich Faust neu erzählt habe, in der ganzen Geschichte: Meine Vorstellung von Gott, der/die sicherlich kein alter, weißer Mann mit Bart ist. Meine Wut über das Patriarchat, über die Art und Weise, wie Faust mit Margarete umgeht und wie cis Männer 200 Jahre später immer noch mit FLINTA umgehen. Mein Respekt vor Margarete, der starken, mutigen jungen Frau, die sich selbst so gut reflektiert und doch in vielen Adaptionen immer wieder auf das kleine “Gretchen” reduziert wird. Im Comic ist die Geschichte Fausts nicht mehr von meinem persönlichen Welterleben zu trennen.

Welche anderen Werke fallen dir ein, die dringend einer Aktualisierung bedürfen, und warum?

Jedem Literaturklassiker, der heute noch gelesen wird oder im Lehrplan von Schulen steht, täte eine Aktualisierung gut. Schüler*innen fragen sich ja oft, warum sie ein 200 Jahre altes Buch noch lesen sollten, und diese Frage ist berechtigt. Was haben diese Reime mit mir zu tun? Die Antwort darauf findet man, wenn man das Werk mit der eigenen Lebensrealität in Bezug setzt, also aktualisiert. Und die Aktualisierung soll das Original ja nicht ersetzen, sondern erweitern: Der Faust-Comic zum Beispiel lässt sich hervorragend parallel zum Original-Faust lesen.

Faust ist dein Debut. Das ist ja schon sehr selbstbewusst, sich ausgerechnet dieses Werk vorzuknöpfen. Was erwartet uns danach? Arbeitest du bereits an deinem nächsten Buch? Erzähl gerne ein Bisschen aus deiner Werkstatt.

Ich arbeite tatsächlich an meiner nächsten Graphic Novel, lasse die Literaturadaptionen vorerst hinter mir und schreibe diesmal eine eigene Geschichte. Es wird eine autobiografische Erzählung über meine erste Reise in den Iran, über das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen und der Suche nach der eigenen Identität. Also ein sehr persönlicher und ehrlicher Comic. Vor Kurzem hatte ich die Möglichkeit, erste Szenen einem kleinen Publikum vorzustellen, und die emotionalen Reaktionen haben mich darin bestärkt, diesen Teil meiner Geschichte zu zeichnen. Ich glaube an die Kraft von persönlichen Erzählungen, gerade im Comic.

Liebe Roya, vielen Dank für das Gespräch. Liebe Leser*innen, zum Comic bitte hier entlang.