Neue Titel im Dezember 2021

Ja, ist denn schon wieder Halloween? Statt besinnlicher und Tannenduftduseliger Lektüre bereiten wir euch mit unseren beiden Novis kurz vorm Fest einen gehörigen Schrecken: Erstens entführen wir euch nach Spanien in eine gefährliche Verschwörung und dann sind auch noch die verdammten Zombies wieder da!

Ab 1.12. veröffentlichen wir nämlich einen neuen Band unserer Reihe DIE TOTEN. Diesmal geht’s in zwei Geschichten an die Zombieverseuchte Ostseeküste. Aus den Federn von DIE TOTEN-Veteranen Susanne Korff-Knoblauch, Andreas Völlinger und dem nordischen Comic-Kollektiv BUDDELFISCH, zeichnen diesmal Vanessa Drossel, Sebastian Kempke und Dirk M. Jürgens, sowie erstmalig bei uns, Frank Freund für die grafische Umsetzung verantwortlich und sorgen nicht nur für ein salziges Feeling auf verwester Haut, sondern mit Sicherheit auch für eine der größten Splattereien derzeit auf hiesigem Indie-Comic-Papier.

Ebenfalls ab dem 1.12. im Handel erhältlich ist unser erster Spanischer Import GESTÄNDNISSE von Fernando LLor und Román López-Cabrera. Hier erwarten euch nicht nur die Beichte eines Cam-Girls, ein jahrelang verschwiegener Mord und eine geheime, satanistische Verschwörung. Lutz Granert von Multimania urteilt: “Die Charaktere sind authentisch, und gerade aus diesem Grund fiebert man bei GESTÄNDNISSE bis zum Ende mit.” Dem haben wir selbst nur wenig hinzuzufügen. Erschienen ist dieser Comic im Original bei dem spanischen Verlag Cosmica. Für die deutsche Übersetzung zeichnet die Berliner Übersetzerin Lea Hübner verantwortlich und wir haben uns, glücklich sie an unserer Seite zu wissen, noch ein paar Einblicke in ihre Arbeit von ihr gewünscht, und mit folgenden Fragen bedacht.

UNGLAUBLICH VIEL LUFT NACH OBEN
Ein Interview mit Übersetzerin und Verlegerin Lea Hübner.

Die Comicszene in Deutschland (über)lebt ja Dank dem Enthusiasmus von Menschen, die sich abseits illustrativer und verlegerischer Aufgaben, beruflich und freiwillig dem Medium verschrieben haben. Du bist als Übersetzerin von Werken aus dem Spanischen und Portugisischen tätig und hast dabei vor allem den Fokus auf die neunte Kunst gesetzt. Die Frage sei, auch unter Gleichgesinnten, gestattet: Warum Comics?

Lea Hübner: Der Bücherstapel, mit dem ich 2013 auf der Frankfurter Buchmesse – Gastland war Brasilien – Verlage suchend unterwegs war, enthielt tatsächlich nicht nur Comics, sondern auch Romane und ein zweisprachiges Literaturheft mit Lyrikübersetzungen von mir. Ich bin seitdem immer mit einem Arm voll Material auf Buchmessen unterwegs gewesen und Fakt ist, dass die Comicverleger*innen mit einen Blick ins Buch schon sagen konnten, ob sie etwas etwas anspricht, Belletristikverlage dagegen nicht. Dieses Flair, sich unter Gleichgesinnten zu bewegen ist da nicht so stark gegeben, owohl es auch eine interessante Szene unabhängiger Verlage gibt.

Jedenfalls kam ich verhältnismäßig schnell zu ersten Übersetzungsprojekten mit Comics. Und Comics haben mich neben anderer Lektüre schon seit Kindheit besonders fasziniert und begleitet und auch während meines Lateinamerikanistikstudiums hier in Berlin fand ich Leute mit diesem Faible und habe diese Sparte in der Sparte über eine lange Entwicklung hin im Blick gehabt. So hat sich eine Spezialisierung ergeben, aber Sach- und Kinderbücher, Erzählungen, Essay, Lyrik und Roman mache ich auch sehr gerne, nur eben (noch) nicht so häufig.

Hierzulande regiert im Import von Werken ja immer noch die Achse USA-Frankreich-Japan. Was haben Comics aus Spanien, Portugal und dem lateinamerikanischen Raum für die Leser*innen hierzulande zu bieten, was alle wissen sollten?

Lea Hübner: Wie eben schon anklang, gibt es bei mir einen langen roten Faden in Sachen „Comicwelt“, die mich schon immer fasziniert hat, doch besonders seit Berlin (d.h. 1994), und in der ich wichtige Entdeckungen machen, aber auch Fehlstellen registrieren konnte. Das Panorama ist zum Glück über die Jahre vielfältiger geworden, damit meine ich vor allem Themen und Autor*innen, aber im Hinblick auf die Wahrnehmung der Produktion jenseits dessen, was du nennst, ist noch unglaublich viel Luft nach oben, und da haben die Regionen meiner Sprachen auf jeden Fall viel zu bieten: Es geht darin um alles mögliche, genau wie in Comics woanders auch, und sicher transportiert immer die Perspektive der Künstlerin oder des Künstlers etwas von ihrer Herkunft, auch Kultur und Setting laufen immer irgendwo mit. Weil diese Frage oft auf „typische“ Themen, die wir vielleicht von, sagen wir, Lateinamerika erwarten, abzielt, und weil, was dort produziert wird, aber auch Manga, Sci-Fi, Graphic Novel, Geschichte oder Fantasy sein kann, würde ich es eher so herum sagen: Eigentlich verpasst man etwas, wenn man nur die gewohnte Schiene fährt. Und weiter gucken ist gar nicht so unmöglich.

Wir freuen uns, dass wir mit LA CONFESION – GESTÄNDNISSE, erstmalig gemeinsam arbeiten durften. Was würdest du sagen, dürfte dir bei der Übersetzung dieses Buchs am meisten in Erinnerung bleiben?

Lea Hübner: Unser Ringen um den Titel (haha), dieses Katholische, das hier auf völlig anderen Boden fällt. Die Sektengeschichte mit ihrem völlig eigenen Style, auch sprachlich, da war die Textarbeit komplex. Außerdem allgemein die Wahl des richtigen Tons, gerade angesichts der die undeutlichen Grenzen von wirklichkeitsinspiriert und fantastisch, realer Gewalt und ihrer Aufhebung oder Umlenkung(?) in dieser Über-Sphäre. Da hat es mich aber mehr beschäftigt, wie ich mich da überhaupt orientiere, als vom Textmaterial an sich.

Bei Übersetzungen gilt es ja nicht nur Worte und Sätze in eine andere Sprache zu transportieren, sondern oftmals auch die Kultur des Ursprungslandes zu vermitteln. Nicht alles lässt sich dann durch Worte erklären. Wie gehst du damit bei deiner Arbeit um? Bist du bei LA CONFESION auf Dinge gestoßen, die hierzulande nicht zwangsläufig -sagen wir beispielsweise- über spanische Schulen bekannt sind?

Lea Hübner: Bei ersten Lesen markiere ich mir gleich alles, was mir in diese Richtung auffällt, dann ist der Blick noch frisch und geeignet, diese kulturellen Unterschiede, mit eventuell größerem Vermittlungsbedarf, zu erfassen. Dieser frische Blick ist wichtig, denn da ich die Ausgangskultur – bei weitem nicht erschöpfend, aber immerhin aus eigener Anschauung – kenne, kommt mir selbst vieles ja „normal“ vor. Zudem besteht die Gefahr über die Bearbeitungsdauer hin ein bisschen „betriebsblind“ zu werden.

Am Ende ist aber meist gar nicht so viel Handlungsbedarf, so wie bei GESTÄNDNISSE, da das meiste, das mit beim ersten Durchgang auffällt, sich als vielleicht typisch, aber nicht unverständlich entpuppt, wie zum Beispiel die Schuluniformen oder, was eine „Bar“ in Spanien so bietet, nämlich nicht nur Bierchen am Tresen (obwohl das das prominenteste Möbel ist), sondern auch Frühstück – Kaffee mit einem Croissant. Bar ist weder wie Kneipe bei uns oder Café und wird u.a. besucht von Leuten, die beim Besorgungen machen mal kurz wo Pause machen um sich zu stärken, oder auch von Student*innen, wie in unserem Buch – ja, auch unsere Protagonistinnen sind „estudiantes“, denn in Spanien ist man das auch schon auf der Schule.
Das schöne an Büchern „von Auswärts“, zumal Comics, ist ja, dass sie einfach zeigen, wie es dort ist. Da hatte ich beim Übersetzen hier kaum Probleme, kniffliger waren Vulgärsprache und die Chatnames.

Neben der Tätigkeit als Übersetzerin hast du dir noch andere Aufgaben in der Welt der Comics vorgenommen. Stichwort: Parallelallee! Ein eigener Verlag… Erzähl uns doch bitte abschließend etwas dazu.

Lea Hübner: Da ich zu den unterschiedlichsten Comicmenschen, darunter natürlich Verlagsmenschen (wie du zum Beispiel) Verbindung suche, um meiner Mission (zwinker) nachzugehen, kam es auf einem Comicstammtisch mit Tina Brenneisen vor zwei Jahren zu der Idee, dass sie in ihrem Verlag Parallelallee auch so ein Übersetzungsprojekt machen könnte, es ging um eine lateinamerikanische Autorin. Wir sind im Gespräch geblieben und haben uns zusammengetan, um künftig gemeinsam ein Verlagsprogramm zu betreuen, das auch einen Schwerpunkt auf „meine Regionen“ hat, und so bin ich vom Connecten, Material spotten und am Text arbeiten ins Büchermachen reingerutscht, mit allem drum und dran, das ist spannend, darüber freue ich mich und im nächsten Frühjahr haben wir dann 4 Titel am Start!