REQUIEM – Interview mit Albert Mitringer

REQUIEM erscheint dieser Tage im Handel und wir haben den Schöpfer Albert Mitringer zu Tisch gebeten und ihm eine handvoll Fragen zu seinem Werk und zu seiner Arbeit gestellt.

Zwerchfell: Einen barock schraffierten Comic von beinahe 200 Seiten zeichnet man ja nicht mal eben am Feierabend. Oder doch? Albert, erzähl uns ein bißchen was über deine Arbeit? Was hat dich dazu bewegt, Comiczeichner zu werden?

Albert: Ich wollte eigentlich immer Pilot werden. Comics zu zeichnen, erschien mir irgendwie als etwas Unmögliches und ich habe es nie als realistisch empfunden, die Kapazität und Willenskraft zu haben, tatsächlich Bücher zu machen. Allerdings wusste ich, dass ich es zumindest mal probieren wollte. Ich wollte dem Ganzen eine ernsthafte Chance geben, bevor ich zur Flugschule gehe. Als dann drei Jahre später LILA, meine erste Graphic Novel, auf dem Tisch lag, dachte ich mir: ”Na gut, dann bleibt es dabei und irgendein Albert in einem Parallel-Universum ist dann statt mir ein Buschpilot in Australien.”

Zwerchfell: Durch deine Erzählstruktur und deinen milden Meta-Humor wirkt REQUIEM durchaus “modern”, aber eigentlich ist dein Comic schon klassische Fantasy. Ansonsten wirkt das Werk auf den ersten Blick wie klassische Fantasy. Die Heldenreise, böse Dämonen und Ungeheuer, eine unfreundliche Landschaft und mittendrin ein Held, der vielleicht gar keiner ist. Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess von der Geschichte und dem Konzept erzählen?

Albert: REQUIEM war am Anfang eine große Ansammlung an Ideen, die ich mir in der Zeit, in der ich “Dungeons and Dragons” spielte, auf die Seite gelegt habe. Beim Rollenspiel war es immer unglaublich interessant (und manchmal auch unglaublich frustrierend), dass man als sogenannter “Game-Master” gewaltige Geschichten zusammenstellen kann, aber deine Protagonisten (aka die Spieler) unterm Strich von dir unabhängig sind und machen können was sie wollen. Ich bin REQUIEM konzeptuell ähnlich angegangen und habe versucht, die Geschichte so zu gestalten, als wären die Charaktere in ihr unabhängig von meinem Willen. Ich habe mich somit hauptsächlich um die “Bühne” gekümmert und versucht, die Persönlichkeiten, die vorkommen, so gut es geht einfach durchzuspielen.

Zwerchfell: Stichwort: Die vielbeschworene Heldenreise: Warum glaubst du, ist diese Strukturauch in seiner millionsten Neuerzählung für Leser*innen immer noch spannend?

Albert: In der Heldenreise geht es ja meistens darum, ein kataklysmisches Ereignis zu verhindern, und der Held ist der Underdog, der erst durch seine Abenteuer zu einer mentalen und physischen Größe heranwächst, die es ihm erlaubt, der gestellten Herausforderung zu begegnen. REQUIEM dreht das ganze Prinzip auf dem Kopf. Es gibt keinen bösen Magier mehr oder eine Sekte an Wahnsinnigen, die versucht, das Ende der Welt herbeizubeschwören. Die Welt ist bereits geendet und unser Held ist so stark, dass er sogar dem Tod die Stirn geboten hat und als Untoter das Land durchstreift. Es geht nun darum, den Weg zurück zum Anfang zu finden, sich wieder daran zu erinnern, mit was für einer Motivation man eigentlich aus seiner Heimat aufgebrochen ist, um Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld zu verfolgen und was das eigentlich bedeutet in einer Welt, die in sich zusammengebrochen ist.

Zwerchfell: Nicht nur der Titel verrät es, auch gleich auf den ersten Seiten wird deutlich: Hier wurde bereits viel gestorben. Und dann begleiten wir den Helden im Nachleben und erfahren mit ihm, wer er mal gewesen ist. Das ist ein sehr freundlicher, spirituell aber trockener Umgang mit dem Tod. Mich interessiert, wie du diesem doch schweren Thema bei der Erarbeitung von REQUIEM mit dieser sanften Melancholie begegnest.

Albert: Der Tod ist sehr zentral in der Geschichte von REQUIEM. Hauptsächlich, weil er uns Distanz gibt. Jeder denkt ab und zu, an seine Fehler zurück und ärgert sich über sich selbst, allerdings ist dafür immer Distanz zu den jeweiligen Ereignissen notwendig. Ich habe das Fantasy-Setting so großartig gefunden für diese Art von Geschichte, da ich dem Protagonisten wortwörtlich eine Lebenszeit geben kann, auf seine Fehler zurückzublicken. In fast keinem anderen Szenario wäre das möglich gewesen. Der Tod ist so mächtig und erschütternd für uns, weil er unser ganzes Lebensbild relativieren kann, aber das muss nichts Schlechtes sein.

Zwerchfell: Dein erstes Comicbuch LILA umfasst 90 Seiten. Bei REQUIEM hast du gleich mal verdoppelt. Arbeitest du bereits am nächsten Schritt und schielst auf die 360? Oder können wir von dir erstmal was kleines erwarten?

Albert: Momentan arbeite ich mit einem guten Kollegen und ein paar Studenten aus der Schweiz an einem Videospiel, was unglaublich spannend ist. Das wird mich voraussichtlich bis zum Ende des Jahres beschäftigen, doch ich habe bereits zwei Ideen für neue Geschichten im Hinterkopf am Köcheln, die ich unbedingt umsetzen möchte. Eine davon ist was Kürzeres, die andere wirkt nach was Großem. Ich werde wahrscheinlich im Sommer entscheiden, welches “Schmankerl” (Köstlichkeit auf Österreichisch) ich als erstes zubereiten werde.