Verdammte Wirklichkeit

Ja, wir arbeiten fleissig am dritten und finalen Teil von Aike Arndts “Gott”-Trilogie. Um euch das Warten zu verkürzen erscheint am 21.7. ein Sammelband von Gotts Abenteuern, die Aike in den vergangenen Jahren in kleinen, selbstproduzierten Heftchen betreut hat. “Verdammte Wirklichkeit” heißt das Kompendium und wir haben Aike zu Tisch gebeten, um uns ein paar Fragen dazu zu beantworten.

DIE INNERE HANDBREMSE LÖSEN
Ein Interview mit AIKE ARNDT

Zum Anfang mal eine einfache Frage, um das Eis zu brechen: Du machst nun seit über 10 Jahren Comics über „Gott“ und scheinst „deine Figur“ sehr gut „zu kennen“. Was viele sicher wissen wollen: Ist Gott denn religiös?

AIKE: Ehrlich gesagt werde ich immer wieder selber überrascht von dieser Figur „Gott“. Sie scheint nicht viele konsistente Eigenschaften zu haben außer ihrem Aussehen. Die Comics mit Gott entstehen ja meistens sehr spontan in Comic-Jams mit mir selbst. Und so entstehen da Dinge, von denen ich nicht unbedingt vorher Kenntnis hatte. Theoretisch könnte es sein, dass Gott auch mal religiös ist. Hm. Aber eigentlich halte ich das für unwahrscheinlich. Irgendwie ist diese Figur ja auch ein Teil von mir. Es könnte viel eher sein, dass sie mal abergläubisch ist. Wobei ich nicht weiß, ob Religion und Aberglaube nicht auch Schnittmengen haben.

Mit „Die Zeit und Gott“ hast du dein Debut gegeben, danach kam „Das Nichts und Gott“ und anstatt die Trilogie zu vollenden hast du erstmal kleine, selbstproduzierte Comics über die Kunst, den Alltag und „Gott und Gott“ gemacht. Als Verleger fragen wir uns natürlich:
Wieso?

AIKE: Dafür gibt es wohl äußere und innere Gründe. Der Wille zum dritten Band war schon früh vorhanden. Dann gab es eine Anfrage für einen anderen Comic von einem anderen Verlag und die Arbeit daran hat sich ewig hingezogen, obwohl es nur ein kleinformatiges Büchlein geworden ist. Ich hadere leider sehr viel mit meiner „Kunst“. Das verlangsamt mich ungemein. Nach „Das Nichts und Gott“ hatten die Gottcomics das Spielerische für mich verloren, obwohl mich ja gerade das ursprünglich zu ihnen geführt hatte. Gemessen daran, wie berühmt andere Comicpublikationen werden können, blieb der Erfolg dieses Bandes zwar in Grenzen, dennoch gab es ja viele Rückmeldungen. Und das ist ja wunderbar, aber es schleichen sich auch gefühlte Erwartungen und die Vergleiche mit sich selbst ein. Mir ist es leider nicht scheißegal, was andere Leute über meine Comics denken. Gleichzeitig blockiert das meinen spielerischen Entdeckungstrieb, mit dem ich gerne zeichne. In den kleinen Formaten habe ich so etwas Leichtes, Exploratives wiedergefunden.

Neben Comics bist du aber auch im animierten Film unterwegs. Sogar preisgekrönt. Da es leider keine Zeichentrick-Schmiede wie Zwerchfell gibt, fragen wir: Wann klopfen Pixar und Disney an? Mit anderen Worten: Bist du noch aktiv?

AIKE: Nein, im Bereich Animation bin ich nicht mehr aktiv und habe auch keine Ambitionen mehr. Höchstens in Kooperation mit anderen Künstler*innen. Aber eigenes möchte ich in dem Bereich nicht mehr auf die Beine stellen. Ich schätze die Unmittelbarkeit von Papier und Stift, die Unbewegtheit von Comicpanels und das Erzählen in Standbildern.

Deine Comics geizen ja nicht mit bedeutungsvollen Themen und können ja glatt als philosophisch bezeichnet werden. Wenn du Kontakt zum Publikum findest, wie würdest du die allgemeinen und die spezifischen Reaktionen auf dein Werk bezeichnen?

AIKE: Mir scheint für die meisten Leser*innen die äußere Gestalt, die ich „Gott“ gegeben habe, immer noch die größte Überraschung zu sein. Darauf beziehen sich die meisten Reaktionen. Oder dass Gott hin und wieder eine etwas bemühte Jugendsprache spricht. Es freut mich sehr, wenn ich hier und da höre, dass aus meinen Comics zitiert wird.

Wenn wir ganz behutsam IN den Zeilen deiner Comics lesen erfahren wir auch ein wenig mehr über den Künstler hinter dem Werk. Zum Beispiel, dass du eine Schwäche für Black Metal hast. In diesem Musik-Genre kommt Gott ja nicht so gut weg, allgemein. Wie passt das zusammen?

AIKE: Zunächst: meine Vorlieben liegen eher im Bereich Heavy Metal und Death Metal als Black Metal (zu den Unterschieden musst Du meinen Neffen befragen). Ich bin aber keiner Musikrichtung verschrieben und höre, was mir gefällt. Zu Deiner Frage: es ist richtig, dass „Gott“ nicht gut wegkommt in manchen Songtexten oder in der Haltung mancher Metalbands. Oft wird „Gott“ aber auch vermischt mit „Religion“ oder „Kirche“ oder einer bestimmten Ausübungspraxis eines Glaubens. Bei mancher Kritik würde ich ja auch mitgehen. Gleichzeitig gibt es aber auch Lebensumstände, in denen eine Religion oder ein Glaube festen Halt im Leben bietet. Letztendlich finde ich es gut, Dinge nebeneinander zu stellen, die zunächst keinen Zusammenhang zu haben scheinen. Wenn man die Dinge ausschließlich homogen zusammen denkt, dann bestätigt man nur das Bestehende und es entwickelt sich nichts Neues. Das gilt ja auch für das eigene Leben: wenn ich immer nur die gleichen Gedanken denke, die gleichen Einflüsse zulasse und niemals über den Tellerrand linse, dann wird sich das, was da in mir ist, im Laufe der Zeit verfestigen und vermutlich ideologische Züge annehmen. Hier liegt vielleicht eine Möglichkeit in der Kunst und damit auch in den Comics: Dinge zusammenbringen, die vordergründig nichts miteinander zu tun haben und Verbindungen schaffen, die sowohl absurd als auch inspirierend sein können.

Und was gibt es sonst so? Erzähl doch mal? Kriegt Mond irgendwann den verdienten Spin-Off?

AIKE: Oje… Mond ist leider sehr vernachlässigt worden in den letzten Jahren. Und auch im dritten Gottband, an dem ich gerade arbeite, kommt er nicht vor… Ich nehme diesen Vorschlag des Spin-Offs aber mal auf :o).
Es gibt noch unerzählte Geschichten, kleine wie große, die ich vielleicht mal zu Papier bringe, sofern ich die innere Handbremse gelöst kriege. Wenn ich Gott 3 abgeschlossen habe, wende ich mich erst einmal einem anderen Comicprojekt zu mit einem ganz anderen Thema. Ich denke, dass vieles in Bezug auf meine Figur „Gott“ nun auserzählt ist. Aber eben noch nicht alles. In welcher Form weiterzählt wird, das wird sich dann zeigen. Für mich ist es ein großes Geschenk, eine so einfache Figur zu haben, die ich zu zeichnen nicht müde werde und die mich hoffentlich noch eine Weile durch die Skizzenbücher begleiten wird.

VERDAMMTE WIRKLICHKEIT erscheint am 21.7.2022

DER MENSCH UND GOTT erscheint im Oktober 2022

Für Presse-Anfragen reicht eine Mail an ctauber@zwerchfell-verlag.de