Neu von Zwerchfell: Der Mensch und Gott

Mit “Der Mensch und Gott” erscheint Aike Arndts vierter Comicband um seinen sympathischen Gott. Zu diesem wunderbaren Anlass haben wir ihm ein paar Fragen zu diesem Trilogie-abschließenden Werk gestellt und erfahren einiges über die Entstehung der Gott-Figur,  deren Ko-Existenz mit der Menschheit und den großen Luxus, keine Pläne zu haben.

Der erste Band deiner Gott-Comics kam 2010 heraus – 13 Jahre mit Gott ist eine ganz schön lange Zeit; wie hat Gott in den Comics sich verändert? Was ist neu in Band 3?

Aike Arndt: Eine offensichtliche Veränderung ist, dass ich Band 3 koloriert habe. Irgendeiner aus dem Verlag meinte, Comics in Farbe würden sich besser verkaufen. Da bin ich doch dabei! Vorher habe ich in kleinen Bildersequenzen auf Instagram trainiert, wie ich mit Farbe umgehen will … Also, Gott ist ratloser geworden. Früher lieferte ich gerne eigene Ideen, wie z.B. etwas entstanden sei oder warum irgendetwas so ist, wie es ist. Ich hatte Spaß an der Absurdität oder der Albernheit. Heute koexistiert Gott mit den Menschen, aber sie machen ihr Ding und er seins. Gott hat weniger Plan, was eigentlich los ist, und wir ähneln uns immer mehr. Allerdings nähert Gott sich mir an, nicht umgekehrt. Und in gewissem Sinne löst er sich ja auch auf, ohne hier zu viel verraten zu wollen.

Hatte Gott denn einen Plan? Wie kam es eigentlich dazu, dass du Comics mit Gott drin gemacht hast?

Aike Arndt: Die Entstehung der Figur Gott ist tatsächlich sehr simpel. Interessanter ist vielleicht eine kleine Vorgeschichte. Ich habe so um 2008 herum einen Workshop für Märchenillustration besucht. In der Geschichte, die ich illustrieren wollte, kam eine kranke Prinzessin vor und eine gute Fee. Ich wollte keine niedliche, schöne Fee zeichnen, aber auch nichts Abstoßendes. Beim Herumprobieren kam ich auf diese Gestalt. Für die Illustrationen habe ich die Figur noch etwas weiterentwickelt. Die Fee spielte in der Geschichte übrigens nur eine ganz kleine Rolle. Ich habe sie dennoch am Schluss erneut auftauchen lassen, wie sie das Königreich verlässt. Vielleicht verließ sie aber auch das Medium Kinderbuch. Ich hatte nämlich die ganze Geschichte fertig illustriert und ein kleines Büchlein daraus gemacht. Aber nie hatte ein Verlag Interesse, es herauszubringen. Vielleicht suchte die Figur bloß eine andere Bühne. Wenig später tauchte sie, leicht verändert, wieder in meinem Skizzenbuch auf. In diesem einen Bild wurde im Grunde genommen alles festgelegt – die Figur bekam ihre neue Bestimmung als Gott. Und die Geschichten begannen.

Hattest du vorher schon Comics gemacht oder bist du vom Kinderbuch zum Comic gekommen?

Aike Arndt: Comics waren schon immer mein Lieblingsmedium. Die FH Münster, an der ich studiert habe, hatte allerdings eine starke Ausrichtung auf Kinderbuch. Comics waren verpönt, weil damit kein Geld zu verdienen war. Ist ja auch richtig. Ich habe also auch schon während des Studiums versucht, im Kinderbuchbereich Fuß zu fassen. Das hat aber überhaupt nicht geklappt und es schmerzt mich bisweilen. Es gibt tolle, witzige und kluge Kinderbücher. Nach dem Studium war ich dann eine Weile im Bereich Animationsfilm unterwegs. Und diesem Bereich fühle ich mich immer noch verbunden. Nicht, dass ich versuche, besonders filmisch zu erzählen, was ja im Comic möglich ist, sondern eher den Figuren eine gewisse Bewegtheit oder Lebendigkeit zu geben, auch wenn sie nur rumstehen und gucken.

Was hast du für Comics gezeichnet, bevor Gott die Hauptfigur wurde? Und: gibt Gott dir Ideen für die Comics oder gibst du sie Gott?

Aike Arndt: Tatsächlich ist »Die Zeit und Gott« der erste Comic, der von mir veröffentlicht wurde. Ich habe mich davor hin und wieder bei Comicwettbewerben beteiligt oder gerne auch zusammen mit Freundinnen und Freunden Comic-Jams gezeichnet. Oder auch Tagebuchcomics, allerdings sehr unregelmäßig und ohne große Ambitionen, sie zu veröffentlichen. Wenn man sich eine Figur schafft, die man immer wieder zeichnet, schränkt es zwar ein. Aber es erleichtert auch das Ausdenken von Ideen und das Fokussieren auf bestimmte Inhalte, Themen oder Erzählformen. Meistens gehe ich von einer Situation aus, am Besten einer sehr banalen. Die Tatsache aber, dass Gott oder Mond in dieser Situation stecken, lässt bereits Humor entstehen. Dann entwickle ich diese Situation weiter. Oder ich lasse die Figuren darin verharren. Es ist eigentlich, als würden die Figuren eine Bühne betreten und müssten nun mit dem, was sie dort vorfinden, eine Szene spielen. Ich lass mich gern überraschen, was meinen Figuren so einfällt.

 Zu den drei Bänden »Zeit«, »Nichts« und jetzt »Mensch« gibt es ja noch den Band »Verdammte Wirklichkeit« mit den apokryphen Geschichten um Gott, die du in kleinen Zines veröffentlicht hast. Nach so einer Trilogie in vier Teilen – ist man da an einem Endpunkt angekommen? Oder anders gefragt: wie geht‘s weiter mit Gott?

Aike Arndt: Mit Sicherheit ist etwas abgeschlossen. Die Arbeit am dritten Band hat sich ja über einen sehrlangen, immer wieder von anderen Projekten unterbrochenen Zeitraum hingezogen. Mich macht es froh, dass er nun endlich erscheint. Aber da ist auch die Ahnung vom Ende von etwas. Vielleicht, weil wir das Format Trilogie als abschließende Erzählform von früher noch kennen. Vielleicht müssten jetzt Spin Offs und Prequels erscheinen. Oder ich lasse mir einfach zum nächsten Band noch mehr Zeit, zum Beispiel 10 Jahre. So wie es die Verlage besonders mögen! Es gibt noch Unveröffentlichtes in meinen Skizzenbüchern, Fragmente oder ganze Geschichten. Mal schauen, was ich damit mache. Aber wer weiß, vielleicht gibt es in 10 Jahren gar keine Comics mehr. Und keine Verlage. Vielleicht gibt es dann nur noch interaktive VR-Games und man kann in die Rolle von Gott oder Luz schlüpfen und eine KI errechnet verschiedene Handlungsstränge … und nach 10 Minuten ist alles durchgespielt und man lädt das nächste Game runter (wenn man dann überhaupt noch »runterlädt«). Und es ist auch egal, weil eh eine KI den ganzen Kram programmiert hat in wenigen Sekunden … Aber wie auch immer – ich glaube es ist deutlich geworden, dass ich keine Pläne mit Gott habe. Und das empfinde ich als einen großen Luxus – mir Zeit nehmen und schauen zu können, ob und was sich da weiterentwickelt. Die meisten Menschen können weder ihre Leben noch ihre künstlerische Projekte auf diese Weise gestalten.

Vielen Dank für das Interview, Aike!